EuGH: Keine Produkthaftung für Printartikel
Wichtiges Urteil für die gesamte Printmedienbranche: Der EuGH stellte klar, dass ein Artikel in einer gedruckten Zeitung mit einem unrichtigen Gesundheitstipp kein fehlerhaftes Produkt iS des Unionsrechts ist. Eine verschuldensunabhängige (Produkt)Haftung aufgrund eines solchen Artikels scheidet daher aus.
Anlassfall war ein Tippfehler in der Kolumne eines externen freien Mitarbeiters der Tageszeitung, wodurch der darin erteilte Gesundheitstipp unrichtig wurde. Eine Leserin hatte diesen befolgt und klagte den Medieninhaber der Zeitung aufgrund der dadurch vermeintlich erlittenen Schmerzen auf Schadenersatz. Der OGH hatte zur Klärung der Frage, ob hier eine verschuldensunabhängige Produkthaftung greifen könne, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.
Der EuGH folgt in seiner Begründung den Schlussanträgen des Generalanwalts. Betont wird vorweg, dass Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich der Produkthaftungs-Richtlinie fallen. Geprüft wird sodann, ob ein an sich als Dienstleistung einzustufender Gesundheitstipp, der in eine bewegliche körperliche Sache – hier: eine gedruckte Zeitung – aufgenommen wird, aufgrund der Tatsache, dass er sich als unrichtig erwiesen hat, dazu führen kann, dass die Zeitung selbst fehlerhaft wird. Dazu hält der EuGH fest, dass sich die fragliche Dienstleistung – d. h. der unrichtige Ratschlag – nicht auf die gedruckte Zeitung beziehe, die ihren Träger bildet; konkret betreffe diese weder die Darbietung noch den Gebrauch dieser Zeitung. Daher gehöre die Dienstleistung nicht zu den der gedruckten Zeitung innewohnenden Faktoren, die als einzige die Beurteilung ermöglichen, ob dieses Produkt fehlerhaft ist. Außerdem verweist der EuGH auf den Willen des Unionsgesetzgebers: Die RL regle gerade keine Produkthaftung für Schäden, die durch eine Dienstleistung verursacht wurden, hinsichtlich derer das Produkt nur den körperlichen Träger bildet. Die Haftung von Dienstleistern und die Haftung von Herstellern von Endprodukten seien also zwei unterschiedliche Haftungsregelungen.
Somit fällt ein unrichtiger Gesundheitstipp, der in einer gedruckten Zeitung veröffentlicht wird und der den Gebrauch einer anderen körperlichen Sache betrifft, nicht in den Anwendungsbereich der Produkthaftungs-RL und ist nicht geeignet, eine Fehlerhaftigkeit dieser Zeitung zu begründen und die verschuldensunabhängige Haftung des „Herstellers“ auszulösen. Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei diesem um den Zeitungsverleger oder dessen Druckerei oder um den Autor des Artikels handelt.
Andernfalls würden Zeitungsverlage verschuldensunabhängig haften und hätten keine oder nur eine eingeschränkte Möglichkeit, sich von dieser Haftung zu befreien. Eine solche Folge würde aber dem in der RL genannten Ziel, eine gerechte Verteilung der Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller sicherzustellen, zuwiderlaufen.
Abschließend verweist der EuGH darauf, dass abgesehen von der Produkthaftung andere (außer)vertragliche Haftungsregeln anwendbar sein können.
Im Ergebnis wird die Vorlagefrage daher dahingehend beantwortet, dass Art. 2 der Produkthaftungs-RL (im Lichte von deren Art. 1 und 6) dahin auszulegen ist, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin dieser Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, kein „fehlerhaftes Produkt“ iS dieser Bestimmungen ist.
EuGH 10.6.2021, C-65/20
(AT)
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