Auskunftspflicht eines Webmail-Diensteanbieters

Der OGH hat den Anbieter von Webmail-Diensten zur Herausgabe von Daten des Nutzers einer von ihm zur Verfügung gestellten E-Mail-Adresse verpflichtet. Das Urteil des Erstgerichts, das die Datenherausgabe angeordnet hatte, wurde wiederhergestellt.

Anlass des Verfahrens war, dass von der besagten E-Mail-Adresse eine Nachricht mit ehrenrührigen und herabsetzenden Äußerungen gegenüber der späteren klagenden Partei an diverse Empfänger (insb berufliche Kontakte) gesendet worden war. Da der Absender unklar war, machte die betroffene Person einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Anbieter, der die E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt hatte, geltend. Dieser weigerte sich jedoch, die Nutzerdaten herauszugeben. Behauptet wurde ua, dass der Anbieter Access-Provider, nicht jedoch Host-Provider sei und ihn daher keine Auskunftspflicht treffe.

Der OGH widmet sich zunächst der Differenzierung zwischen den beiden Arten von Diensteanbietern im Zusammenhang mit deren Haftungsbefreiungen. Im vorliegenden Fall sei aber nicht die Haftung des Anbieters zu beurteilen, sondern das Bestehen eines Auskunftsanspruchs gegen diesen. Dabei bedürfe es keiner abschließenden Beurteilung, ob der Anbieter den Voraussetzungen der Haftungsbefreiung des § 13 oder jenen des § 16 ECG unterfalle. Selbst wenn dieser nämlich dem Haftungsregime des § 13 ECG (für Access-Provider) unterworfen wäre, sei jedenfalls eine analoge Anwendung des Auskunftsanspruchs gem § 18 Abs 4 ECG geboten. Auch Telekommunikationsunternehmen treffe nach der Judikatur eine analoge Auskunftspflicht, weil die durch rechtswidrige Inhalte Verletzten sonst schutzlos blieben.

Zweck des Auskunftsanspruchs gem § 18 Abs 4 ECG sei es, Personen, die durch rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen eines ihnen nicht bekannten Nutzers in ihren Rechten verletzt werden, die Rechtsverfolgung zu erleichtern. Dieser gelte zwar nach dem Gesetzeswortlaut nur gegenüber den in § 16 ECG genannten Diensteanbietern, also Host-Providern. Soweit der Anbieter eines Webmail-Dienstes den Haftungsbeschränkungen des § 13 ECG unterliege (zB mangels Speichermöglichkeit, die über eine Zwischenspeicherung iSd Abs 2 hinausgeht), sei das ECG gemessen an seiner eigenen Zielsetzung aber lückenhaft. Denn auch die Bereitstellung eines Webmail-Dienstes ziele darauf ab, Dritten (den Empfängern) die vom Nutzer eingegebenen Inhalte zugänglich zu machen, wodurch es zu Rechtsverletzungen kommen könne. Ohne Auskunftsanspruch gegenüber dem Anbieter – der aufgrund des Kommunikationsgeheimnisses selbst keine Kenntnis der versendeten Informationen habe und für deren Inhalt daher nicht hafte – bestünde ein Rechtsschutzdefizit der Verletzten.

Das zusätzlich für den Auskunftsanspruch erforderliche überwiegende rechtliche Interesse an der Datenherausgabe und deren Erforderlichkeit zur Rechtsverfolgung waren im konkreten Fall erfüllt.

OGH 20.5.2020, 6 Ob 226/19g

(AT)

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