„Schutzgeldbande“: Zulässigkeit der Berichterstattung über eine bestehende Verdachtslage
OLG Wien vom 10.5.2017, 17 Bs 56/17k sowie vom 7.9.2017, 18 Bs 92/17m
Das OLG Wien hatte sich jüngst mit (den Grenzen) der Zulässigkeit von (Online- und TV‑)Berichten über Verdachtsmomente im Zusammenhang mit einer „Schutzgeldbande“ zu befassen.
Unter Hinweis darauf, dass eine Reihe von Verdächtigen im Zuge von Hausdurchsuchungen nach monatelangen Ermittlungen festgenommen worden seien, wurden bestehende (polizeiliche) Verdachtsmomente, der Gruppe zur Last gelegte Vorfälle und Aussagen betroffener ZeugInnen berichtet. Die Berichte enthielten überdies einen polizeilichen Zeugenaufruf und wurden zu diesem Zweck Bilder der festgenommenen Verdächtigen veröffentlicht.
In seiner Entscheidung vom 10.5.2017, 17 Bs 56/17k betonte das OLG Wien (unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur und Literatur), dass § 7b MedienG einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung über Straftaten nicht entgegenstehe, weil der einem Straffall zugrundeliegende Sachverhalt immer berichtbar bleiben müsse und bloß eine verfassungsgesetzlich den Gerichten vorbehaltene Wertung – im Sinne einer Lösung der Tat- und Schuldfrage – verpönt sei. Die bloße Schilderung einer Verdachtslage stelle den Tatbestand des § 7b Abs 1 MedienG ebensowenig her wie die Bestimmung verfassungskonform betrachtet die tatsachengetreue Berichterstattung über Straffälle ausschließe. Daher stelle etwa ein mit der Wirklichkeit übereinstimmender Bericht über die erfolgte Festnahme eines Verdächtigen, über den Ablauf des Gerichtsverfahrens oder über ein tatsächlich vorliegendes Geständnis noch keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar, weil über den äußeren Sachverhalt stets berichtet werden dürfe, auch wenn diese Schilderung der Verdachtsmomente mehr oder weniger zwangsläufig auf die Schuld des Betroffenen schließen lasse.
Im konkreten Fall sei lediglich der äußere Sachverhalt berichtet und in Bezug auf die Antragsteller nur die Verdachtslage in dem Sinn geschildert worden, dass diese jene Bandenmitglieder sein könnten, deren Taten dargestellt wurden. Dabei würden auch die im Indikativ gehaltenen Überschriften nicht schaden, weil diesen kein selbstständiger Bedeutungsgehalt zukomme. Bei Gesamtbetrachtung der Veröffentlichung stehe für den Leser zwar fest, dass die berichteten Straftaten durch eine Schutzgelderpresserbande begangen worden seien, nicht jedoch, dass die Antragsteller die Mitglieder ebendieser Bande seien, welche die berichteten Taten begangen habe. In Bezug auf die Antragsteller entnehme der Leser dem Beitrag vielmehr, dass es sich bei diesen um die festgenommenen Verdächtigen handle, welchen die berichteten Taten zur Last gelegt würden, ohne dass diese aber als überführt und/oder schuldig hingestellt worden seien.
Mit Urteil vom 7.9.2017, 18 Bs 92/17m bekräftigte das OLG Wien die oben genannten Grundsätze und hielt in Bezug auf den dort zu beurteilenden TV-Beitrag Folgendes fest: Zwar habe der Beitrag auch zahlreiche im Indikativ gehaltene Aussagen enthalten, die jedoch in erster Linie (allgemein) die Umtriebe und brutale Vorgehensweise der verbrecherischen Gruppierung beschrieben habe, die Auslöser für die Ermittlungen und die nachfolgenden Hausdurchsuchungen etc gewesen seien. Daher sei lediglich der äußere Sachverhalt einer Verdachtslage geschildert worden, die sich insbesondere auf Berichte der Polizei bzw der leitenden Ermittler stütze. Es sei allerdings für den angesprochenen Zuseherkreis noch nicht die Schuldfrage im Sinne einer den Gerichten vorbehaltenen Wertung hinsichtlich der Antragsteller gelöst worden. In Bezug auf diese werde – durch entsprechende Formulierungen, zB „Verdächtige“ – lediglich eine (wenn auch dringende) Verdachtslage beschrieben, nicht jedoch vermittelt, dass diese überführt bzw schuldig seien. Daran ändere auch die im Indikativ gehaltene Anmoderation nichts, weil dieser in casu kein selbstständiger Bedeutungsgehalt zukomme. Im Zusammenhang mit den veröffentlichten Fotos der Verdächtigen und dem polizeilichen Zeugenaufruf wird betont, es sei für das Publikum deutlich ersichtlich, dass es zur Erhärtung der Verdachtslage und der Überführung der Verdächtigen noch weiterer Zeugen und Beweise bedürfe und eine endgültige Entscheidung noch ausstehe.
(AT)
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